Schulden im internationalen Vergleich - Wie Staaten mit Verschuldung umgehen

Nicht jedes Land geht gleich mit Staatsschulden um. Während manche Regierungen auf strikte Haushaltsführung setzen, räumen andere bewusst mehr Spielraum für Investitionen ein.

Von Egon Gnatowsky, Johann Schill

Letzte Überarbeitung: 13.2.25

Staatsverschuldung ist ein zentrales Instrument der Finanzpolitik - fast alle Länder nutzen sie zur Finanzierung ihrer Haushalte. Doch der Umgang mit Schulden unterscheidet sich erheblich zwischen den Staaten. Während einige Länder strikte Regeln zur Begrenzung ihrer Verschuldung eingeführt haben, setzen andere auf flexible Mechanismen. Besonders interessant ist der Vergleich zwischen Deutschland, Großbritannien, den USA, Japan und dem EU-Durchschnitt. Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede in den Finanzstrategien und deren Auswirkungen.

Die Höhe der Staatsverschuldung wird oft anhand der Schuldenquote gemessen, also dem Verhältnis der Schulden zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). Deutschland verfolgt eine konservative Finanzpolitik und hält an der sogenannten Schuldenbremse fest, die im Grundgesetz verankert ist und die Neuverschuldung stark begrenzt. Die Schuldenquote liegt derzeit bei rund 62,7 % des BIP.

Großbritannien hingegen verfolgt eine anpassungsfähige Strategie: Eine feste Schuldenbremse gibt es nicht, stattdessen passt die Regierung ihre Fiskalpolitik an wirtschaftliche Entwicklungen an. Die Staatsverschuldung liegt bei etwa 96,5 % des BIP.

In den USA existiert zwar eine gesetzliche Schuldengrenze, diese wird jedoch regelmäßig angehoben oder ausgesetzt. Das führt oftmals zu vehementen politischen Diskussionen und im schlimmsten Fall zu einem Finanzierungstopp, den sogenannten Government Shutdowns. Die Schuldenquote der USA beträgt etwa 127,4 % des BIP. Doch da der US-Dollar als Weltleitwährung gilt, können sich die USA hohe Schulden leisten, ohne eine akute Finanzkrise zu riskieren.

Japan wiederum weist mit Abstand die höchste Schuldenquote unter den führenden Industrienationen auf, sie liegt bei rund 250 % des BIP. Trotzdem erlebt das Land keine Schuldenkrise, ein entscheidender Grund dafür ist, dass japanische Staatsanleihen vor allem von inländischen Investoren gehalten werden und die Zinsen extrem niedrig sind.

In der EU gibt es die Maastricht-Kriterien, die eine Schuldenquote von 60 % des BIP als Obergrenze vorschreiben. In der Realität hält sich jedoch seit der Finanzkrise 2008 kaum ein Mitgliedstaat an diese Vorgaben und stattdessen greifen viele Länder auf bestehende Ausnahmeregelungen zurück, um diese zu umgehen. Der EU-Durchschnitt liegt derzeit bei etwa 82,5 % des BIP.

Ein besonders interessanter Vergleich ergibt sich zwischen den USA und Japan. Während die USA eine hohe Staatsverschuldung mit einer steigenden Inflation kombinieren, kämpft Japan trotz enormer Schulden mit Deflation. Ein zentraler Unterschied liegt in den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Die USA profitieren von einem relativ hohen Wirtschaftswachstum, was eine höhere Staatsverschuldung ermöglicht, ohne dass die Stabilität der Wirtschaft gefährdet wird. Gleichzeitig führt die expansive Geldpolitik in den USA oft zu einer hohen Inflation, da viel Geld in Umlauf gebracht wird.

Japan hingegen kämpft seit Jahrzehnten mit niedrigen Preisen und schwacher Nachfrage, was zum Teil auf die alternde Bevölkerung zurückzuführen ist. Dies drückt sowohl das Wirtschaftswachstum als auch die Inflation. Der japanische Staat kann sich trotz seiner hohen Schulden problemlos weiter finanzieren, weil die Zinssätze extrem niedrig sind und die Bevölkerung traditionell viel spart.

Die Europäische Union hat mit den Maastricht-Kriterien klare fiskalische Regeln aufgestellt, um eine übermäßige Staatsverschuldung ihrer Mitgliedsstaaten zu verhindern. Theoretisch dürfen die Schulden eines EU-Landes nicht über 60 % des BIP liegen, und das jährliche Haushaltsdefizit soll 3 % des BIP nicht überschreiten. In der Praxis halten sich jedoch viele Länder nicht immer an diese Vorgaben. Dabei spielen wirtschaftliche und politische Gründe eine wichtige Rolle.

Viele Mitgliedsstaaten wie Frankreich oder Italien bemängeln, dass zu strikte fiskalische Regeln Investitionen in zukunftsentscheidende Bereiche wie Klimaschutz, Infrastruktur oder Bildung begrenzen würden. Dies führt regelmäßig zu Debatten über eine Reform der europäischen Fiskalpolitik, da eine strikte Einhaltung der Regeln politisch oft schwer durchzusetzen ist.

Während hoch verschuldete Länder wie Japan wirtschaftlich stabil bleiben, zeigt das Beispiel Argentinien, welche Risiken eine unkontrollierte Staatsverschuldung mit sich bringen kann. Argentinien musste in den letzten Jahrzehnten mehrfach seine Zahlungsunfähigkeit erklären. Dies liegt vor allem an der Abhängigkeit von ausländischen Investoren und an der Verschuldung in US-Dollar, was bei einer gleichzeitigen Entwertung des argentinischen Pesos die Schuldenlast erhöht. Durch den Vertrauensverlust verlangen Anleger hohe Zinsen für Staatsanleihen, was die Rückzahlung der Schulden erschwert. Außerdem führt das massive Drucken von Geld zu Hyperinflation, was die Wirtschaft zusätzlich belastet.

Der internationale Vergleich zeigt, dass hohe Schulden nicht zwangsläufig problematisch sind. Entscheidend sind die Finanzierung, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die durch Schulden finanzierten Investitionen. Während sich Industrieländer durch eine stabile Währung und Wirtschaft sowohl günstig als auch hoch verschulden können, geraten Schwellen- und Entwicklungsländer schneller in finanzielle Krisen. Letztendlich ist eine Ausgewogenheit zwischen Verschuldung und Wachstum entscheidend für eine langfristige finanzielle Stabilität.